Ein Schäferlehrstündchen über Wollpreise und Japanischen Knöterich

Sturm ist erst, wenn die Schafe keine Locken mehr haben, sagt ein norddeutsches Sprichwort. Letzte Woche herrschte strahlender Sonnenschein und dennoch hatten am Ende eines langen Tages rund 450 Schafe keine Locken mehr – bei Schäfer Ebe war Schurtag, wie jeden März. Ich war auch dieses Jahr mit dabei, wollte es diesmal aber genauer wissen: Was passiert eigentlich mit der ganzen Schafwolle? Wo kommt sie hin? Kann man davon leben?

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NOCH gänzlich ungeschoren… © Rolf Sigle

07:30 Uhr in Legelshurst. Die Sonne ist noch nicht lange aufgegangen, meine Mütze sitzt tief über den Ohren, die Luft ist kalt – und erfüllt mit lautem Geblöke. Bei Schäfer Ebe wird heute geschoren. Die Scherer haben ihre Schur-Böcke aus Holz bereitgestellt, die Schermaschinen surren und schon verlieren die ersten Schafe ihr dickes Fell, bzw. ihre Wolle. Tier für Tier wird aus der Menge genommen – hier kommt keiner ungeschoren davon. Als Helferin stopfe ich die geschorene Wolle in große Säcke, die der Traktor anschließend abholt. Bis zum Abend sind rund 450 Tiere um einige Kilo ihrer Wollpracht leichter und die großen Säcke stapeln sich hinter dem Stall. Aber was passiert nun mit der Wolle? Wo wird sie gewaschen, wo von Pflanzen, Erd- und Kotresten befreit – deutsche Handarbeit? Sicher nicht. Ein Händler sammelt die Wolle aus der Region. Von dort kommt sie nach Bremen und dann per Schiff nach China, wo sie gewaschen und weiter verarbeitet wird.

Oft zahlt man beim Scheren noch drauf
Ob man vom Wollverkauf noch leben kann, wage ich erst gar nicht zu fragen – seit 1990 herrscht absoluter Preisverfall bei Wolle, wie mir der Landesschafzuchtverband Baden-Württemberg e.V. verrät: Statt früher 1,80 – 2,30 Euro pro Kilo, bekommt man heute nur noch zwischen 50 Cent und 1,20 Euro, abhängig von der Qualität. Die Schurkosten hingegen liegen pro Schaf bei circa 3,80 Euro, also höher als der Erlös! Bei Ebe zum Beispiel lagert noch die Wolle vom letzten Jahr, der Preis war 2017 einfach zu schlecht. Baden-Württemberg ist nach Bayern das Bundesland mit den meisten Schafen. 215.500 badische Schafe gibt es, mit ca. 1.300 Schafhaltern mit 20 und mehr Schafen, davon ca. 110 hauptberufliche Schafhalter und ca. 15 Wanderschäfer. Wenn nicht von der Wolle, wovon leben diese Schäfer dann? „Landschaftspflege“, antwortet mir Ebe. „Und vom Lammfleisch.“

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Sack für Sack wird mit Schafwolle gefüllt © Rolf Sigle

Landschaftspflege sichert das Einkommen
80% mache die Landschaftspflege bei ihm aus. Sobald der Japanische Knöterich wachse, gehe es los. Ich verstehe zunächst den Zusammenhang nicht, also führt Ebe ausführlicher fort: „Der Japanische Knöterich sichert mir quasi mein Einkommen. Wo er wächst sammelt sich Feuchtigkeit und das gefährdet die Dämme. Meine Schafe fressen die Pflanzen und sorgen so auf Dauer für einen verminderten Wuchs der Pflanze und somit Schutz der Dämme“. Und das mit Erfolg. Im Vergleich zu ein paar Jahren zuvor sei der Knöterich deutlich zurückgegangen. Auch dem Indischen Springkraut, ein weiterer Neophyt, der heimische Arten verdrängt, wird so zu Leibe gerückt. Allerdings erst später im Jahr, „die Schafe fressen die Blüten extrem gerne und so können sich die Samen nicht weiter verbreiten“.

Weideprämie soll helfen
Niedrige Wollpreise und aktuell recht niedrige Lammfleischpreise – viele Schäfer bringt das an den Rand der Existenzsicherung. Trotz Förderung erwirtschafteten die meisten nicht einmal den Mindestlohn. Deswegen fordert der Bundesverband Berufsschäfer die sogenannte Weideprämie von 38 Euro für extensiv gehaltene Mutterschafe und Mutterziegen. In anderen Ländern Europas ist diese Förderung bereits üblich, in Deutschland bisher nicht. Bezahlt würde die Subvention aus dem EU-Haushalt, nicht von den Bundesländern. Edgar Engist, Schäfer aus Bollschweil sagte dazu Ende Februar in einem Interview mit der Badischen Zeitung: „Laut EU-Recht steht uns Schäfern diese Weideprämie zu. Aber unsere Politik hat vor fünf Jahren zu wenig dafür getan – wir sind in der Landwirtschaftslobby am wenigsten vertreten, weil wir immer weniger werden. Deswegen brauchen wir die Unterstützung der Gesellschaft. Damit unsere Betriebe erhalten bleiben.“

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Frisch geschoren, schnell zu den anderen in die Herde © Rolf Sigle

Gänzlich ohne Nachfolge stehen die Badischen Schäfer nicht da, während dem Schurtag lerne ich zumindest eine Nachwuchsschäferin kennen, die gerade ihre Ausbildung macht – auf dass sie ihren Beruf wirklich ausführen und davon leben können wird!

Mehr Infos zur Schäferei in Baden-Württemberg (und über den Tellerrand hinaus) sowie zur Weideprämie gibt es zum Beispiel hier:

Bundesverband Berufsschäfer: www.berufsschaefer.de/152/aktuelles

Landesschafzuchtverband Baden-Württemberg e.V.: www.schaf-bw.de

Interview der Badischen Zeitung mit Edgar Engist: www.badische-zeitung.de/suedwest-1/der-deutsche-schaeferverband-fordert-eine-praemie-fuer-weidetiere–149815113.html