„Am Ende werden sie halt doch getötet“ – Oder: Wieviel Transparenz verträgt der Konsument?

Vor kurzem habe ich mich mit meinem Vater über Tierwohl unterhalten. Für mich ein gängiger Begriff. Mein (80jähriger) Vater jedoch hörte das Wort an jenem Tag zum ersten Mal und staunte, „was es heutzutage alles gibt“. Ich nahm unsere kleine Unterhaltung zum Anlass, mich in meinem Familien- und Freundeskreis ein wenig umzuhören und habe nachgefragt: Was versteht ihr unter dem Begriff Tierwohl?

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hm, dass es den Tieren gut geht. Und dass sich der Bauer um das Wohl seiner Tiere kümmert“, antwortet mir ein Freund.

Mir fällt dazu dieses stressfreie Töten der Tiere ein, dass keine Stresshormone ins Fleisch gehen und, dass es den Tieren einfach so gut wie möglich geht – wenn sie getötet werden. Hmm, wenn das mal kein Widerspruch ist…“ sagt eine Freundin.

Artgerechte Haltung. Aber auch, dass mancher ständig über’s Tierwohl redet, um vergessen zu können, dass die besagten Tiere am Ende halt doch getötet und gegessen werden“, schreibt mir einer meiner Brüder.

Und wieder einmal hat der große Bruder Recht, dieser Aspekt wird gerne mal ganz schnell verdrängt.

Das Töten wird komplett ausgeblendet beim Verzehr
Passend dazu findet sich in den letzten Tagen auf den Kanälen der Sozialen Medien vermehrt ein Video des WDR, Ein Sozialexperiment: Schlachtung beim Fleischkauf. Die WDR-Wissenschaftsredaktion wollte wissen, wie Konsumenten reagieren, wenn sie beim Fleischkauf direkt mit dem Töten des Tieres konfrontiert werden und ob sich dadurch das Bewusstsein zum Fleischverzehr verändert. Dafür wurden am 09.12.2017 mitten in der Kölner Fußgängerzone die zum Verkauf stehenden Gänse vor den Augen aller fachmännisch geschlachtet. Einige Passanten reagierten entsetzt. Dirk Gion, Leiter des Experiments sagt dazu im WDR-Beitrag: „Das Töten wird komplett ausgeblendet beim Fleischverzehr.“ In dem Bericht wird aber auch davon ausgegangen, dass das Entsetzen nur von kurzer Dauer sei, wer gerne Fleisch esse, würde sich auf Dauer von so einer einmaligen Demonstration nicht davon abhalten lassen.Tatsächlich sehe auch ich mich immer wieder mit dieser „Ausblendung“ konfrontiert. Ich bin Jägerin. Große Augen bei vielen, die das hören: „Du kannst ein Tier töten?“. Wohlgemerkt, darüber entsetzen sich nicht nur Vegetarier, sondern auch Menschen, die spätestens im Sommer wieder täglich ihrem Weber-Grill huldigen – auf dessen Rost sicher keine Tofuwürste oder Gemüsebratlinge liegen.

Die Sache mit dem Geldbeutel
Transparenz herstellen beim Thema Schlachten und das im Zusammenhang mit Tierwohl ist ein wichtiger Schritt dahin, dass Fleischkonsum wieder bewusster und mit Wertschätzung geschieht und dadurch der sogenannten Massentierhaltung mit all ihren Fehlern entgegengewirkt wird. Wertschätzung spiegelt sich aber auch in der Preispolitik wider. Der Mensch braucht nicht täglich Fleisch, um gesund zu leben. Ich bin überzeugt, dass sich solange nichts ändern wird, bis der Wert des Fleisches tatsächlich auch monetär wieder überall, auch in den Discountern, zu spüren sein wird. Die Hemmschwelle ist zu gering, es ist zu normal und einfach geworden, dass Fleisch täglich auf den Tisch – oder den Grillrost kommt. Und um zur Titel-Frage zurückzukommen: „Wieviel Transparenz verträgt der Konsument?“ Die Transparenz findet beim Geldbeutel wieder ganz schnell ein Ende – wie mir die Gesprächsrunde von Kollegen bei der Weihnachtsfeier gestern wieder zeigte: „Was soll ich machen, wenn’s im Supermarkt so günstig ist, dann kauf ich’s halt.“
…!?

Beste Schwarzwaldgrüße,
eure Annika

PS: Antworten zum Thema Tierwohl findet ihr zum Beispiel hier:

www.schlachtung-mit-achtung.de

Die Tierwohl-Initiative des BMEL